Artemis:
Meine Autos und ich

1989, ich hatte meine erste richtige Arbeitsstelle, mein erstes eigenes Geld, wollte ich mir endlich auch mein erstes eigenes Auto kaufen. Der Erwerb des Führerscheins lag drei Jahre zurück, anfangs hatte ich auch noch mit Papas Auto fahren dürfen, aber nachdem ich einmal versucht hatte, rückwärts aus unserer Einfahrt zu kommen und sich dabei die Stoßstange des Jetta im Tor verheddert hatte, was zu einem verzogenen Rahmen führte, war Papa irgendwie nicht mehr besonders begeistert von der Idee, mich ans Steuer seines Autos zu lassen.

Da ich nichts falsch machen wollte, nahm ich mir einen befreundeten Automechaniker mit auf die Suche. Wir fanden einiges – einen Nissan, der angeblich komplett überholt war und ausgerechnet auf dem Bahnübergang den Geist aufgab, einen äußerlich gut erhaltenen Kadett, dem es nur leider an Bremsflüssigkeit mangelte – und Lucy.

t_lucy.jpg (10824 Byte)Lucy (benannt nach dem frechen Gör von den "Peanuts") war ein silberner Golf Diesel BJ 80, den wir bei einem Parkplatz-Gebrauchtwagenhändler auftrieben. Das Büro des Händlers bestand aus einem Wohnwagen. Mein Begleiter unterzog Lucy einer eingehenden Prüfung und befand sie für tauglich. Sie hatte zwar 180.000 km auf dem Tacho, aber der Verkäufer behauptete, der Motor sei ausgetauscht worden. Garantieren konnte er allerdings nicht dafür. Wir handelten ihn auf 3400 Mark runter, wenn ich mich recht entsinne.

Das Auto machte sich soweit ganz gut. Es war noch gut in Schuß, der Frontspoiler führte den unbefangenen Betrachter in die Irre und gaukelte ihm vor, es handele sich um einen Turbo-Diesel, dabei hatte Lucy gerade mal 50 PS und schaffte maximal 150 km/h. 

Leider hatte Lucy bereits in der ersten Woche einen Unfall in der Ludwigsstraße in München, in den gleich drei Autos verwickelt waren. Mein hilfsbereiter Mechaniker besserte den Schaden für 700 Mark erstaunlich gut aus – meine Eltern merkten nichts. Aber die Versicherungsprämie schoß in die Höhe. Etwas später erfuhren Lucy und ihre Fahrerin am eigenen Leibe, daß die Ermahnung "Rechts vor links beachten" wirklich sinnvoll ist, und zuguterletzt gab es auch noch einen Auffahrunfall, aber auch das überstand sie gut. Nur ihr Öldurst war bedenklich. 

Eines Tages allerdings, ich war fast daheim, blinkten plötzlich viele rote Lämpchen am Tacho auf. Das Kühlwasser war völlig aufgebraucht, die Motortemperatur am oberen Anschlag. Am Kühler sah man bereits Rauchwolken aufsteigen. Wie sich herausstellte, war die Zylinderkopfdichtung hin. Die 500 Mark Reparaturkosten waren für meine Verhältnisse damals ein kleines Vermögen. Nach der Reparatur zog Lucy einen schwarzen Rauchschweif hinter sich her. Ich fand das nicht richtig und fragte in der V.A.G.-Werkstatt, ob das denn sein müsse. Man erklärte mir, daß man das leider nicht besser einstellen könne. Ab da rauchte Lucy nicht nur, sie schaffte auch nur noch maximal 130 km/h. Telefonate mit den drei Vorbesitzern bestätigten dann auch meinen Verdacht, daß Lucy nie einen Austauschmotor erhalten hatte - dafür aber immerhin mal einen neuen Kühler.

Irgendwie hatte ich ein dummes Gefühl beim Fahren – die Leute schauten mich alle so komisch an, also rannte mein Chef offene Türen ein, als er mich fragte, warum ich mir nicht ein neues Auto kaufen wolle, ich würde doch auch Firmenrabatt bekommen. 

Also bestellte ich mir einen neuen VW Polo (EZ 4/91), schwarz, 45 PS (160 km/h mit Rückenwind), mit Drehzahlmesser und CL-Ausstattung. Die Wartezeit betrug einige Wochen. Währenddessen bot ich Lucy im lokalen Anzeigenblatt an – und bekam den ersten Anruf noch bevor das Blatt offiziell erschienen war. Zwei Türken wollten das Auto sofort besichtigen. Da es Abend und damit finster war, war ich nicht begeistert von der Idee, aber sie ließen nicht locker und waren bereit, noch 1300 Mark zu zahlen. 

Der Handel war soweit klar, am nächsten Tag wollten sie das Auto abholen. Es kam, wie es kommen mußte. Sie ließen das Auto an, die Rauchschwaden stiegen auf, und wenig später klingelte es wieder an der Tür. Nur ein Preisnachlaß für die anstehende weitere Reparatur (wahrscheinlich die Kolbenringe) konnte sie dazu bewegen, das Auto doch zu nehmen. Ein Fehler, wie ich später erfuhr, denn es meldeten sich noch mehr Interessenten, die sich durch den Rauch nicht hätten abschrecken lassen. 

t_marco.jpg (11357 Byte)Daß der neue Polo Marco heißen sollte, verstand sich fast von selbst. Ich weiß nicht, ob es an der schwarzen Farbe lag, aber das Auto war vom Pech verfolgt. Bis heute sind mir drei Leute reingefahren: erst mein volltrunkener Vermieter, da war das Auto gerade mal drei Wochen alt, dann ein Anfänger in Papis Auto, der die Vorfahrt nicht beachtete und Marco eine neue Motorhaube und einen neuen Kotflügel bescherte (die neue Tür begann inzwischen bereits zu rosten), und schließlich vier Jahre später noch ein Taxifahrer, der gleich einen Golf auf mein brav an der Ampel wartendes Autochen schleuderte. Wieder war der linke Kotflügel und die Motorhaube fällig. Der Restwert betrug zu dem Zeitpunkt 10.000 Mark, die Reparaturkosten auch. Glücklicherweise bezahlte die Versicherung noch einmal – ich hatte das Glück, wieder einmal  mit einem Allianz-Versicherten zu kollidieren. 

Selbst zugefügt habe ich Marco nur zwei kleinere Beulen beim Ein- und Ausparken – die letzte in Konstanz in einer sehr ungünstig konstruierten Tiefgarage. Die Säulen standen einfach im Weg ... 

Meine anfänglichen Pläne, mir nach spätestens vier Jahren ein anderes Auto zuzulegen, habe ich aufgrund des Wertverlustes durch die Unfälle natürlich fallenlassen. Marco und ich bleiben also vorerst ein Team. Bis jetzt hält er sich gut – außer dem Auspuff und Bremsbelägen war noch nichts fällig. :) 

...to be continued






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