Der tupperdosentürkise Polo Fox

Irgendwann in den tiefsten 80ern, als alle Mitschüler auf frisierten Mofas oder 80er Yamahas durch die Gegend fuhren, schlossen meine um mein Wohlergehen besorgten Eltern mit mir einen Deal: "Du bekommst kein Motorrad und auch keinen Motorradführerschein, aber wir sponsern dir, wenn du 18 bist, den Auto-Führerschein und den ersten Wagen." Ein Angebot, das ich schlecht ablehnen konnte. Von dem Geld, das ich mir mit ein paar Jobs verdient hatte, wäre das alles nicht zu finanzieren gewesen.

Natürlich erbaten sich meine Eltern dann auch ein gewisses Mitspracherecht als es um die Auswahl eines geeigneten Wagens ging und so kam es, daß nicht der von mir favorisierte Golf zweifelhafter Herkunft angeschafft wurde (na schön, er war im Nachhinein betrachtet vielleicht doch ein bißchen sehr rostig und auch hart an der Grenze der Verkehrssicherheit) sondern ein erst 1 Jahr alter Polo Fox. Das war die Sparversion des normalen VW-Polo (ohne Bremskraftverstärker, Halogenscheinwerfer, Startautomatik, Kofferraumabdeckung und weitere Kleinigkeiten), mit stolzen 45 PS motorisiert.

Alles in allem: Gar nicht mal schlecht für ein "erstes Auto"...wäre da nur nicht diese Farbe gewesen, dieses Tupperdosentürkis, das man eigentlich nur in den Haushaltswarenabteilungen der Kaufhäuser findet und sonst nirgends. Es war ein typisches Hausfrauenauto - also nicht gerade das, was sich ein 18jähriger unter einem "anständigen" Auto vorstellt. Irgendwie mußte der Wagen individueller werden. Was tun?

Ein wenig weiße DC-Fix Klebefolie und eine Rolle schwarzes Klebeband witzig quer über das Auto geklebt und mit ein paar netten Details (wie dem kleinen Fuchs) versehen - sah wirklich professionell aus und hat zu meinem Erstaunen allen Autowäschen und Witterungseinflüssen standgehalten. Es war eine Gratwanderung zwischen ausgefallenem Design und mantamäßigem Dekor. Selbst heute finde ich es immer noch irgendwie gelungen.

Schließlich verpaßte ich dem Wagen noch eine Klingel. So eine - rrrrriiiinnnnnggggggg - rrrrrrinnnnnggg - Türklingel, nebst stilvollem Klingeltaster für das Armaturenbrett und hervorragend geeignet, um Leute zu grüßen und für eine Art Aufsehen zu sorgen, die zu dem Auto paßte.

Zuverlässig war er, der kleine Türkise. Gut, er hatte diese billige tschechische Batterie, die einen schon mal im Stich ließ, wenn die Temperaturen unter Null sanken. Der Kaltstart mit dem Choke hatte so seine Tücken und irgendwas schwamm hin und wieder im Vergaser herum und führte öfters dazu, daß der Wagen mitten auf der Autobahn (140 km/h schaffte der Fox bei Rückenwind) plötzlich ausging.

Besetzt mit vier Personen hatte der Polo arge Schwierigkeiten Berge hochzukommen aber mit der umklappbaren Rückbank war er ein echtes Raumwunder - ich darf gar nicht mehr dran denken, was ich damit alles durch die Gegend gefahren habe.

Während meines Weihnachtsurlaubs bei der Bundeswehr wurde mir der kleine Fox im hohen Norden gestohlen. Die Polizei machte mir nicht viele Hoffnungen: "Meistens finden wir die Wagen ein paar Tage später, zu Schrott gefahren, in der Kiesgrube wieder." Dieses Schicksal wollte ich meinem Auto nun wirklich nicht zumuten und deshalb setzte ich eine Anzeige in das lokale Wochenblatt, da der Wagen ja doch recht auffällig war. Und tatsächlich, am gleichen Tag noch meldete sich ein Herr, der den Wagen am Straßenrand entdeckt hatte. Der kleine Flitzer war in einem hervorragenden Zustand - nur völlig leergeräumt. Bis auf das Radio, ein bißchen Schmutzwäsche, eine Jacke, Musikkassetten etc. war in dem Auto eh nichts zu holen, wäre da nicht auch noch ein kleiner unscheinbarer Schnellhefter gewesen... Er enthielt meine Praktikumsberichte, die ich während der Grundausbildung für das Studium geschrieben hatte. Die mußte ich dann in den folgenden Wochen abends in der Kaserne neu schreiben, neue Zeichnungen anfertigen usw. (naja, aus heutiger Sicht war es immerhin eine halbwegs sinnvolle Beschäftigung).

Wie das beim ersten Auto so ist: Die Trennung fällt schwer. Man hängt irgendwie an diesem Stück Blech, trotz - oder vielleicht auch gerade wegen - der Macken und Eigenarten. Ich habe den Wagen nach einigen Jahren privat verkauft, in gute Hände - aber ein wenig sentimental wurde ich doch, als ich ihn in die Abendsonne davonfahren sah und die neue Besitzerin als Abschiedsgruß noch einmal kurz den Klingeltaster drückte.

- rrrrrrriiiiiiiiiinnnnnnggggggg -

carsten juergen
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