Roberts AUTO-Biografie

Teil 2: Opel Kadett C

Nachdem ich nun meinem Käfer die letzte Ehre erwiesen hatte, widmete ich meine ganze Aufmerksamkeit seinem Nachfolger: ein grüner Opel Kadett C, eine zweitürige Limousine, die auf den ersten Blick einen ganz fabelhaften Eindruck machte, jedenfalls einen besseren als die beiden Coupés gleichen Typs, die derselbe Händler ebenfalls feilbot. Schade eigentlich, denn ein Coupé hätte mir eigentlich mehr zugesagt... Nun, ich war damals eben noch jung und wild.

Dieses Auto konnte eigentlich alles besser als sein Vorgänger: es war moderner, schneller, leiser und komfortabler als der Käfer - aber ich konnte mich dennoch nicht richtig mit ihm anfreunden, so entwickelte ich eine Art Haßliebe zu dem Wagen. Er gab mir in den ersten Monaten wirklich keinen Grund, mich über ihn zu ärgern, aber er war eben nicht der alte!

Ich kaufte den Wagen im Hochsommer. Seine Reifen waren interessanterweise Winterreifen des Fabrikats Aurora, bis heute traf ich keinen Menschen, dem diese Marke bekannt war. Aus finanziellen Gründen ließ ich die Reifen montiert, bei Außentemperaturen von 35° Celsius erwiesen sie sich so weich wie Lakritze - und auch entsprechend verschleißfreudig. Nach nicht einmal 10.000 km zeigten sie derartige Abnutzungserscheinungen (vor allem an den Außenseiten waren die Vorderreifen merkwürdigerweise derartig ausgewaschen, daß ein Profil kaum noch zu erkennen war...), daß ein Austausch unumgänglich war. Ich stieg direkt auf das Format 175/70-13 um, das sah sportlicher aus als die alten 155er Socken und machte sich auch tatsächlich im Fahrverhalten bemerkbar. Mit den neuen Reifen erwarb ich auch gleich einen Satz Sport-Stahlfelgen, und als ich nun schon einmal dabei war den Wagen zu "verschönern", mußte natürlich auch der Lack einiges über sich ergehen lassen. Zuerst lackierte ich die Blenden der C-Säulen schwarz, wenig später folgten drei breite schwarze Streifen, die ich in einem Anflug von Selbstkritik "Proletenstreifen" nannte. Sie zogen sich schräg über die Motorhaube und der hinterste von ihnen wurde über Kotflügel und Fahrertür bis zum Fahrzeugboden verlängert. Zuerst entstanden sie aus Gründen der beschleunigten Verarbeitung auf Basis eines breiten Klebebandes, was sich jedoch als nicht besonders haltbar erwies. Schließlich machte ich Nägel mit Köpfen, kaufte eine Dose mattschwarzen Rallyelack und etwas Kreppband, und legte los. Vielleicht hätte ich auch noch etwas Lackentfetter miterwerben sollen, schließlich hatte ich nicht einmal zwei Wochen vorher den Wagen poliert und gewachst - aber nur durch Erfahrung wird man klug. Die Oberfläche der lackierten Streifen sah jedenfalls höchst interessant aus, aber erstaunlicherweise hielt der Lack trotzdem! Nach einiger Zeit zog ich nochmals die Farbdose zu Hilfe, weil meiner Meinung nach mattschwarze Stoßfänger auch sportlicher aussahen als ihre verchromten Pendants.


Macht doch noch einen ordlichen Eindruck
Wie auch bei seinem Vorgänger hatte ich wiederum die Illusion, das Auto hätte eine gute Substanz, und die Karosserie sei in sehr gutem Zustand. Dieser Eindruck wurde noch durch die Tatsache unterstützt, daß der Gebrauchtwagenhändler ihn komplett neu lackiert hatte - was ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht wußte. Laut Verkäufer hatte der Wagen vorher einen Unfall erlitten und war instandgesetzt worden. Als Beleg diente hierfür die Motorhaube, die nur ausgebeult war und dementsprechend immer noch die Unfallspuren aufwies.
Leider hatte der Händler den Umfang des Unfallschadens nicht ganz korrekt angegeben (im Vertrag war lediglich allgemein von einem instandgesetzten Vorschaden die Rede), und so stellte ich nach etwa einem halben Jahr fest, daß das gesamte Fahrzeug verzogen sein mußte: auf der Dachhaut blätterte der Lack nämlich an einem vorher kaum erkennbaren Knick im Blech wieder ab und bei einer Achsvermessung stellte sich heraus, daß die Achsen nicht wirklich parallel zueinander standen. Wenig später traten auch wieder die ersten Rostpickel unter dem Lack hervor, und wie bei seinem Vorgänger begann ich auch hier, dem Rost mit Schleifpapier und Lackdose zu Leibe zu rücken. Leider fand sich dabei wiederum überall eine so große Menge Spachtelmasse, daß ich den Mut sehr schnell sinken ließ, ebenfalls erneut zur großen Prestolithdose griff, und die großflächigen Durchrostungen wieder einebnete. Im Gegensatz zum Käfer jedoch hatte ich Skrupel, dann alles wieder mit Unterbodenschutz zu übertünchen, und da ich die (sehr engen) Grenzen meiner Lackierfertigkeiten kannte, versuchte ich gar nicht erst, die ausge"besser"ten Stellen wieder in Originalfarbe zu lackieren. Statt dessen fuhr ich ab sofort noch eine weitere Anzahl mattschwarzer "Rallyestreifen" spazieren.

Auch versuchte ich ein in der Bodenwanne befindliches Loch , das augenscheinlich von einem heftigen Aufsetzer herrührte, zu verschließen. Als mir das nach mehrmaligen Versuchen schließlich gelungen war, mußte ich feststellen, das sich dort nun bei schlechtem Wetter sehr schnell einige Zentimeter Wasser aufstauten: meine Frontscheibendichtung schien undicht zu sein. Der Versuch, auch diesen Mangel zu beseitigen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt: nach unzähligen Versuchen, die Scheibe abzudichten, entdeckte ich, daß die Dichtung vollkommen in Ordnung und stattdessen der Scheibenrahmen zu einem großen Teil durchgerostet war. Also blieb mir keine andere Möglichkeit als den Ablauf im Wagenboden wieder zu öffnen und darauf zu vertrauen, daß das Wasser seinen Weg hinaus wieder von alleine findet. Im übrigen hatte ich den folgenden Jahren noch zwei weitere C-Kadetten zu betreuen, und auch hier fanden sich dieselben Probleme.

Die Summe der Polizeikontrollen die ich in diesem Fahrzeug über mich ergehen lassen mußte habe ich übrigens bis heute nicht mehr erreicht. Zudem blieb mir nach keiner Fahrzeugdurchsuchung (es war gerade die Zeit der Bombenattentate) ein Alkoholtest erspart, da ich in meinem Kofferraum eine höchst interessante Sammlung leerer Bierdosen spazierenfuhr. Auf die Frage eines kontrollierenden Beamten, ob ich die alle während der Fahrt getrunken hätte, antwortete ich flapsig mit einem "nee, vorher, oder meinen Sie ich steige während der Fahrt aus um die Hohlmänner in den Kofferraum zu schmeißen?" Offensichtlich war das die falsche Antwort, denn als Folge dessen blieb mir nicht nur der Alkoholtest nicht erspart, nein, die Uniformierten kümmerten sich nunmehr zu dritt um mein Auto während ich daneben stand. Eine geschlagene halbe Stunde lang kontrollierten die Freunde und Helfer mein Auto, und dies überaus akkurat. Nachdem aber die Fahrgestellnummer mit den Papieren ebenso übereinstimmte wie die Reifen/Felgen-Kombination, auch mein Warndreieck nicht nur vorhanden, sondern auch völlig intakt war (ich mußte es komplett auseinanderklappen und aufbauen), die Zählung der Mullbinden im Verbandkasten auch wirklich keinerlei Abweichung von der Norm aufweisen wollte und die netten Herren nicht einmal eine defekte Glühbirne bemängeln konnten, obwohl sie sich redlich bemühten (sogar Nebel-, Fern- und Rückfahrscheinwerfer blieben nicht ungeprüft), nachdem all dies und noch mehr kontrolliert war, wünschte man mir mit hörbar zusammengebissenen Zähnen gute Weiterfahrt. Alle weiteren launigen Bemerkungen habe ich mir seitdem lieber verkniffen, wer weiß schließlich schon immer ganz sicher, ob nicht gerade vor drei Minuten die hintere Kennzeichenbeleuchtung ausgefallen ist - auch wenn ich dem Polizisten, als er gerade unter der Motorhaube nach der Fahrgestellnummer suchte am liebsten einen Putzlappen angeboten hätte, damit er auch gleich den Ölstand kontrollieren könnte.

Zu meiner Ehrenrettung sei allerdings erwähnt, daß ich nicht nur stets nüchtern mit dem Auto unterwegs war, sondern im allgemeinen auch zu den kontrollierenden Beamten stets höflich und freundlich geblieben bin. Nur an diesem einen Tag ritt mich offenbar der Teufel - aber es handelte sich auch bereits um die vierte Kontrolle ,die ich an diesem Abend über mich ergehen lassen mußte!

M. und ich fuhren eines Tages gerade wieder einmal ziellos herum, als ich an einer roten Ampel anhalten mußte. Der Wagen stand etwa seit zehn oder 15 Sekunden, als ein Schlag durch das Auto fuhr.


Opel "Christbaum"
Ich blickte in den Innenspiegel und sah gerade noch, wie zwei Personen langsam vom Fahrzeugdach über die Heckscheibe und den Kofferraum auf die Straße glitten. Der Fahrer einer Vespa hatte mein Auto offensichtlich zu spät gesehen, den Roller in meinen Kofferraum gebohrt und mit seiner Freundin zusammen eine Besichtigung meines Autodaches unternommen. Der Unfall verlief glimpflich, außer dem Stolz des Zweiradfahrers gab es keine Verletzten, nur die Vespa hatte es offensichtlich hinter sich. Einige Teile des Rollers staken noch zwei Wochen später in dem aufgeschlagenen Heckblech meines Opels, ich entfernte sie erst, nachdem der Gutachter der gegnerischen Versicherung den Schaden aufgenommen hatte. Die Leistung der Versicherung erreichte nahezu den Preis, den ich ein Vierteljahr früher selbst für das Auto bezahlt hatte, die Instandsetzung übernahm ich selbst. Ich bog das aufgerissene Heckblech zurück, verschmierte das Ganze von innen und außen gut mit Prestolith, übertünchte das ganze mit Unterbodenschutz und lackierte die Fläche in Wagenfarbe. So sah das Auto - zumindest von hinten - wieder aus wie neu.

Das kam mir sehr zugute, als mir nach einem weiteren halben Jahr ein Ford Escort als Linksabbieger in die Quere kam. Nach diesem Unfall sah ich meinen Kadett nun jenseits jeder wirtschaftlichen Reparatur: der gesamte Vorderwagen war um fast einen halben Meter nach rechts verschoben, beide Kotflügel, Scheinwerfer, Blinker und der Stoßfänger waren zerstört, die verbogene Motorhaube stand 30 cm weit hoch und die verschobenen Luftbleche hatten dem Kühlventilator den Garaus gemacht. Erstaunlicherweise fuhr das Auto aber noch, und so war ich noch zwei Wochen lang täglich damit unterwegs, bis ich einen adäquaten Nachfolger gefunden hatte.

Als Schadengutachter stand nach wenigen Tagen der gleiche Mann vor meiner Tür, der auch den vorherigen Unfall aufgenommen hatte, er erkannte das Auto gleich wieder, besah sich eingehend das "instandgesetzte" Heckblech ("Das neue Heckblech ist sehr sorgfältig eingesetzt worden, haben Sie das selbst geschweißt?" "Nein, das war eine Fachwerkstatt, und die hat auch das Heck neu lackiert !" Damals konnte ich lügen ohne rot zu werden...) und erkannte auf ein gepflegtes und angemessen gewartetes Auto, was mir eine weitere Zahlung von einer Versicherung einbrachte, diesmal jedoch sogar um einiges höher als der ursprüngliche Kaufpreis. (Sollte der geneigte Leser bei einer Kfz-Versicherung arbeiten: die Sache ist lange verjährt. Heute lohnt sich ein solches Vorgehen nicht mehr: meine Autos sind inzwischen deutlich höherwertig!)

Den völlig verbogenen Wagen benutzte ich wie erwähnt noch zwei Wochen lang täglich, in dieser Zeit schlachtete ich nach und nach alle guten Teile der Innenausstattung aus und montierte sie im völlig verwohnten Auto meiner Freundin, die das gleiche Modell als Kombi besaß. Nachdem ich endlich bei einem Gebrauchtwagenhändler einen würdigen Nachfolger für mein Auto gefunden hatte, gab ich den inzwischen völlig ausgeräumten Kadett bei demselben Händler in Zahlung. Er besah sich den Trümmer und die im Kofferraum liegende Ausstattung mißtrauisch und kam zu dem Schluß, daß man für fünfzig Mark mehr wohl nicht verlangen könne. Nach eigenen Angaben wollte er das Auto ausschlachten um damit zwei andere auf seinem Hof vor sich hin rostende Kadetten wieder flott zu machen. Mir sollte es egal sein... Erstaunt war ich allerdings drei Monate später. Der Händler schien ein wirklich begnadeter Künstler mit der Spachtelkelle zu sein, ich begegnete nämlich meinem Opel auf der Straße wieder! Weder die Kotflügel noch die Motorhaube waren ersetzt worden, aber die Unfallspuren sah man nicht mehr. Die Blechteile waren auch nicht komplett neu lackiert worden, denn ich konnte die noch immer vorhandenen "Rallyestreifen" auf der Motorhaube sicher als die von mir aufgetragenen identifizieren. Die größte Überraschung war für mich aber das neue TÜV-Siegel auf dem Kennzeichen, schließlich war der Wagen schon vor dem Unfall nicht mehr wirklich verkehrstauglich gewesen...

Das Auto sah ich in den nächsten zwei Jahren regelmäßig, der neue Besitzer schien aber auch nicht mehr Glück mit dem Auto zu haben als ich. Alle paar Wochen fanden sich neue kleinere und größere Unfallspuren an der ohnehin schon geschundenen Karosse, bis eines Tages der Wagen von den Straßen der Stadt verschwand. Kaum ein Todeskampf eines Autos dürfte länger gedauert haben. Allerdings war auch sein Name Programm gewesen, nach dem ersten Unfall erhielt auch er eine Aufschrift:
 

CRASH LINER

Friede seinem Blech!






© Text und Fotos: Robert Delhey