Eine Variante mehr

VW 1600 Variant, Bj. 1973

Eigentlich wollte ich diesen Kombi gar nicht kaufen. Ich hatte einen fahrbaren Untersatz, den Pappsatt, der mich wirklich treuherzig überall hinbrachte, ohne meinen wirklich chaotischen Fahrstil übel zu nehmen. Der Pappsatt war aber trotz seiner mit der Zeit angesammelten Veränderungen ein einfach viel zu normales Auto.

Mit dieser Anzeige fings an...
1991 war ein VW 1600 Variant zumindest in unserer Gegend ein wirklich seltenes Auto, ich hatte ja eh noch meinen 1600er TL in der Garage und als dann für 1500,- deutsche Währungseinheiten ein solcher Wagen in der Regionalpresse auftauchte, fuhr man schon rein interessehalber zur Besichtigung - man wollte ja die anderen Deppen kennenlernen, die sich für diese Autos begeistern können.
Es war schon beim ersten Anblick klar, daß es sich um eine ziemlich verbastelte Kiste handelte, aber immerhin hatte er TÜV, relativ wenig Rost und er stand zum Verkauf. Das Fahrwerk war brutal tiefer gelegt, was bei diesem Auto ohne Fremdteile funktioniert - man muß einfach nur die Federstäbe verdrehen. Das Schiebedach, das den Wagen zierte, wirkte irgendwie komisch. Wie sich später herausstellte, war einmal eine Dachlawiene auf das Auto gedonnert und hatte das Fahrzeugdach kaltverformt. Der Vorvorbesitzer nahm das zum Anlaß, ein Schiebedach eines Schlachtfahrzeuges einzuschweißen - schade nur, daß er nur das einer Limousine hatte - und die hat eine ganz andere Dachwölbung...

Nunja - ich wollte wie schon erwähnt dieses Auto eigentlich gar nicht kaufen, also sagte ich dem Verkäufer, daß ich maximal 800,-DM für den Wagen ausgeben würde und wie es der Zufall wollte - ich bekam dummerweise den Zuschlag für dieses Geld. Tja, da hatte ich nun ein Auto mit durchgerostetem Auspuff und wirklich abenteuerlicher Straßenlage - Spur und Sturz des Wagens waren vollkommen verstellt. Der Reifenhändler meines Vertrauens mit Fixpreis für diese Fahrwerkseinstellungen wollte zunächst die Finger von dem Wagen lassen, erst mit einer Reparaturanleitung für den Wagen im Schlepptau, konnte ich ihn zum Arbeiten anregen. Den Auspuff schraubte ich von einem gemeinsamen Schlachtobjekt, das ich zuvor mit einem Freund zusammen gekauft hatte - aber der Einbau ist wirklich eine Fingerübung bei eingebautem Motor. Filigrane Finger sind vonnöten, die hatte ich aber leider nicht im Werkzeugkasten - also dauerte allein der Ausbau über vier Stunden. Ich will aber nicht klagen, der Wagen lief danach erst einmal wie ein Nähmaschinchen

Er begleitete mich zu verschiedenen Autotreffen, Blumentöpfe waren damit nicht zu gewinnen, aber das war ja auch nicht die Absicht. Ab und an setzte man mal mit dem Auto auf - es war wohl der Typ 3 (Spitzname für diese Baureihe) mit der verbeultesten Reserveradwanne auf deutschen Straßen. Bei mir veränderte sich so einiges beruflich, sprich ich bekam tatsächlich einen Studienplatz und mußte mich in Mainz persönlich einschreiben.
Von weitem sah er richtig gut aus
Ich verband das mit einem Autotreffen, das auf einem Campingplatz in der Mecklenburgischen Seenplatte stattfand - so kurze Zeit nach der Grenzöffnung eine weitere Tortur für die besagte Reserveradwanne. Kurz vor Mainz war irgend etwas anders - eine Werkstatt bestätigte mir am nächsten Tag die Abreise meines Hauptbremszylinder gen Jourdan. Die vorderen Bremsen hatten ihren zweiten Frühling wie eh und je, jedoch die hinteren mußten mit viermaligen Pumpen zur Mitarbeit ermahnt werden. Kein Spaß, aber auch kein Ersatz in Sicht - wer hat schon Ersatzteile für solch ein Fahrzeug auf Lager? Also ganz langsam wieder zurück nach hause - ich hatte Termine am nächsten Tag. Das Auto wurde abgemeldet, der Dacia eines Arbeitskollegens mein nächster fahrbare Untersatz.

Etwas bunter Stoff, Sprühkleber -
fertig sind die "Designtürverkleidungen"
Jetzt hatte ich vier Autos, meinen Pappsatt, einen Dacia, einen VW 1600TL und einen VW 1600 Variant - eindeutig zuviel, aber ich beließ es einfach einmal bei diesem Zustand. Der Vari war einfach zu schade zum Ausschlachten, also inserierte ich ihn letztendlich deutschlandweit in einem VW-Magazin. Vorsorglich holte ich den Wagen nach Mainz, wo ich neue Wurzeln schlug, weil es so schwer war, den Wagen aus der Entfernung zu verkaufen. Immerhin trennten mich 350km von der alten Heimat. Es dauerte ein Weilchen, bis sich jemand für die Karre interessierte und der erste, der wirklich ernsthaft interessiert war, hatte ebenfalls ein Problem: einen Mexikokäfer mit 1,5 Jahren Rest-TÜV, den er losschlagen wollte. Also einigten wir uns auf einen Austausch - mir fehlte gerade wieder einmal ein geTÜVter fahrbarer Untersatz - natürlich mit Wertausgleich zu seinen Gunsten.
Die Überführungskosten wollten wir uns teilen. Also rote Kennzeichen geholt, Beifahrer eingeladen und auf die Piste nach Mühlheim an der Ruhr, wo der Käfer auf uns wartete. Ein Hauptbremszylinder aus eigener Schlachtung hatte ich dabei - jedoch noch nicht eingebaut. Das wollte der Nachbesitzer machen - also ganz vorsichtig, maximal Tempo 100 hieß die Devise. Klar - so reibungslos kann so etwas nicht verlaufen, das Schicksal ist nunmal gegen aufkommende Langeweile. So kam es, daß wir von zwei ausgesprochen hübschen weiblichen Zeitgenossen überholt wurden, die auch noch zu uns herüber lächelten. Ob aus Mitleid, Freude an alten Autos oder weil wir so fröhlich am Steuer saßen, werden wir wohl nie erfahren. Auf jeden Fall gab ich Gas. Irgendwie müssen wir die wieder einholen. 120 km/h, es könnten auch ein paar mehr gewesen sein, um die Kurve gefahren und: Stau! Es stand uns ein relativ kurzer Weg zum bremsen zur Verfügung - ein viel zu kurzer, wirklich. Vollbremsung - nur die vorderen Reifen erfüllen die Luft mit dem Gestank verbrannten Gummis. Als vielleicht noch 2m zum ersten stehenden Auto waren runter von der Bremse, Auto auf den Standstreifen gelenkt und weiter gebremst - nichts war passiert. Ob das jetzt Geistesgegenwärtigkeit, Reflex, oder einfach Morzdusel in Verbindung mit göttlicher Eingebung war - fragen Sie mich nicht. Wichtig war nur: wir standen. Minutenlanges Schweigen im Auto, Adrenalinabbau, Ausatmen. Dann die erlösenden ersten Worte des Beifahrers: "Geil reagiert". Schließlich setzten wir die Fahrt fort und machten den Deal perfekt. Das war das letzte mal, daß ich Typ3 gefahren bin, obwohl ich ja noch immer einen in der Garage stehen habe.