Der Ami-Taxi-Benz

Ein häßliches Entchen wird zum Kultwagen erklärt

Nach zig Volkswagen, einem Dacia und einem Fiat dachte ich mir irgendwann, es wäre an der Zeit, mein Studienziel in Angriff zu nehmen: Student mit Putzfrau und Benz. Die Putzfrau gönnte ich mir in Form einer Studentin, die jede Woche 2 Stunden vorbeikam und ein wenig nach der Hygiene in meiner Wohnung sah, also fehlte nur der Benz. Und so etwas ist teuer - dachte ich zunächst, es sollte aber ganz anders kommen.

Hätten Sie den gekauft?
Ich machte mich also auf die Suche nach einem bezahlbaren Exemplar der Gattung Mercedes Benz W123 - das war die gewählte Baureihe. Irgendwann fand sich eine vielversprechende Anzeige - ein 230E, Bj. 80 mit läppischen 84.000 km auf der Uhr VHB 2.600,- DM. Ein echtes Schnäppchen, wie mir schwante. Ich also dorthin und dann der Schock - es war wohl der häßlichste 123er, den ich gesehen hatte...
Senfgelb, mit kackbraunmetallicfarbenen Streifen rundum, Front-/Heckspoiler, Seitenschweller, achtmal stand 230E rundum auf dem Wagen und die Innenausstattung war zu allem Überfluß auch noch in einem - nennen wir es jagdgrün. Ich wollte eigentlich sofort weglaufen, um meinen Mageninhalt zu retten, habe es aber Gottseidank nicht gemacht. Ich schaute mir den Wagen näher an. Der Vorbesitzer - der ihn als Jahreswagen von seinem eigenen Sohn gekauft hatte und bis dahin gefahren, hatte diesen Wagen geliebt. Der kleinste Rostpickel wurde sofort mit dem Lackstift ausgebessert, der Kofferraum war überladen mit Ersatzteilen, es gehörten 2 Satz Alufelgen zu dem Wagen, vorsichtshalber ein Ersatzkühler, Scheinwerfer,... Ich nehme an, wäre das Schlafzimmer des älteren Herrn groß genug gewesen - er hätte ihn nachts mitgenommen. Und dann dieser winzige Kilometerstand...
Den Wagen hatte ursprünglich ein BMW-Händler in Zahlung genommen und der wollte diese Augenbeleidigung nicht auf den Hof stellen und gab ihn sofort an einen Gurkenhändler ab - der mir den Preis auf 2.000,- Märker reduzierte. Ein wirklich fairer Kurs - rein aus rationeller Sicht - nicht aus ästhetischer...

Also gekauft, zugelassen, fotografiert und danach sofort Frontspoiler runter, Seitenschweller ab und das ganze Lametta vom Kühlergrill gerupft. Im Innenraum fand sich ein Econometer auf der Lenksäule (!) - auch diese fand den direkten Weg zur Tonne. So stand ich vor dem Problem mit den kackbraunmetallicfarbenen Streifen rundum.

Mir schwebte da schon beim Kauf eine Idee im Kopf herum, was man damit machen könnte - die amerikanischen Taxis sind doch auch gelb. Zunächst versuchte ich es mit Klebefolie in schwarz/weiß kariert aus dem Baumarkt - sah wirklich furchtbar aus, ließ aber erahnen - wenn das ordentlich gemacht wird, hat der Wagen das Talent zum Kultwagen (selbsternannt). Es dauerte drei Nachmittage, 5 Dosen Lack (der billigste aus dem Baumarkt) und 3 Rollen Krepband dann war es fertig. Das Ami-Taxi-Einsatzfahrzeug.
Was ein wenig Farbe und Entspoilern so ausmachen...
So konnte man mit dem Wagen ohne finstere Sonnenbrille und weit ins Gesicht gezogene Wollmütze sich im öffentlichen Straßenverkehr bewegen - und: er machte sogar richtig Spaß! Mit seinen 136 Pferden war man ganz flott unterwegs, auch wenn er bei Vollgas ein wenig durstig wurde. Steuer war auch nicht so billig - schließlich hatte das Ding noch nie etwas von einem KAT gehört.

Anhängerkupplung ordnungsgemäß abgedeckt ;-)
Der karierte Streifen ließ viel Raum für Spekulationen über die ursprüngliche Verwendung des Wagens. Ich wurde ab und an angesprochen, ob das Fahrzeug früher ein Follow Me auf dem Dach hatte als Flugzeuglotse auf dem Flughafen und ein Tankwart fragte mich einmal, ob das ein Crash Test Auto wäre, die hätten doch auch so Streifen auf der Seite.

In Frankfurt hatte ich mit dem Auto einmal eine Begegnung der dritten Art. Ich war mit einem Freund auf der Suche nach einer Partylocation und wir fragten Passanten nach dem Weg. Hinter uns - wohlgemerkt die Straße war dreispurig - ein Taxi, das es lustig fand einmal zu hupen. Dieses einmal hupen dauerte ungefähr fünf Minuten, weil die Passanten sich stritten, wohin wir eigentlich fahren müssen. Als sie sich endlich geeinigt hatten - der Taxifahrer hupte immer noch - platze mir der Kragen und ich gab Vollgas - bis zur nächsten roten Ampel erreichte ich immerhin 120 km/h

Das Auto, das neben mir hielt, hatte so einen komischen Knubbel auf dem Dach und der Beifahrer winkte mit einem kellenförmigen Teil aufgeregt mir Frischluft zu. Also angehalten und den freundlichen Herrn in schlammfarbenen Beinkleidern und Hand an der Pistole Auskunft gegeben. „So, wie Sie dort von den Passanten weggefahren sind, müssen wir davon ausgehen, daß Sie eine Straftat verübt haben“. Ich die Sache erklärt worauf ein unverständliches „Sie sind hier in Frankfurt, hier sind alle Taxifahrer so“ mir entgegenkam. Irgendwie konnten sie mir keine Straftat nachweisen, dafür ungefähr den Weg beschreiben - der ganz anders war, als vorher bei den Passanten erfragt. Als dann die Frage nach Alkohol kam, bin ich einfach weitergefahren - irgendwann langtīs ja auch.
Erstaunlich war auch die Wirkung dieses Autos auf meine Großeltern. Als ich das erste mal Zuhause mit dem Wagen auftauchte, waren sie ganz aus dem Häuschen: Unser Enkel fährt jetzt Mercedes! Mein Opa fragte, ob ich nicht eine Alarmanlage hätte, weil so ein Wagen doch sicher oft gestohlen wird, und meine Oma wollte unbedingt ein Foto mit dem Wagen. Beide hatten nie einen Führerschein besessen und für sie ist eben ein Mercedes etwas besonderes. Ich habe ihnen den Unterschied zum neuen Passat meines Vaters erklärt und ich denke, sie haben es inzwischen kapiert.
Oma, KLE und Benz
Ich bin den Benz etwa 1,5 Jahre gefahren, habe damit etwa 20.000 km hinter mich gebracht und er hat mich nie im Stich gelassen. Außer Ölwechsel und einmal Ventile einstellen habe ich keine müde Mark in die Erhaltung des Wagens gesteckt. Nach dem Jahr inniger Liebe standen dann die ersten Reparaturen ins Haus: Bremsbeläge. Ganz klar, das war der Zeitpunkt, den Wagen zu verkaufen - der Ascher war auch schon voll. Der Käufer fand sich in einem Libanesen, der den Wagen, so wie er war für 1.000,- DM abnahm und mir ihn noch einen Monat lang nutzen ließ, bis ich einen Nachfolgerwagen - ich wollte unbedingt einmal im Leben eine S-Klasse - gefunden hatte. Den zweiten Satz Alufelgen konnte ich dann nochmals für 200,-DM verkaufen, den Satz Winterreifen an einen Freund für 50,-DM und es gab tatsächlich jemand, der für den Frontspoiler 80,-DM zahlte. Viel hatte ich also nicht verloren, bis auf den zuverlässigsten Wagen, den ich jemals hatte...